Der Leib ist das ausführende Organ des Geistes, der Seele oder des Verstandes. Der Geist tendiert dazu, das Gute zu tun, während es der Leib ist, der das Gute ausführt. Er führt durch, er ermüdet, er plagt sich, er durchwacht die Nacht und leidet. Und soll er keine Entlohnung dafür erhalten, was er zusammen mit dem Geist an Gutem getan hat? Oder sollte etwa der Geist allein glückselig sein und jede Plage des Leibes wie vom Winde verweht sein? Verträgt sich das mit der Gerechtigkeit Gottes für alle?
Nehmen wir einmal den Soldaten im Feld als Beispiel für uns.
Den Soldaten bringt sein Geist zu Taten des Mutes, der Hingabe und der Aufopferung, sein Geist entbrennt in der Liebe zu seinem Vaterland und zu seinen Landsleuten. Es ist jedoch der Leib, der die ganzen Mühen erträgt und den ganzen Preis dafür zahlt. Es ist der Leib, der ermüdet, durchwacht und kämpft, er ist es, der verwundet, der zerrissen und dessen Blut vergossen wird. Soll dann der Geist ganz allein genießen und der Leib nicht mit ihm der Entlohnung teilhaftig werden? Als ob er weder Himmel noch Erde verdienen würde? Doch die göttliche Gerechtigkeit passt ganz und gar nicht dazu. Es muß also der Leib vom Tode auferstehen, um zusammen mit dem Geist an seinen Freuden teilhaben zu können.
Dasselbe gilt auch für die bösen Taten, an denen Leib und Geist teilhaben, doch vielleicht ist der Anteil des Leibes daran größer …
Der Leib ist es, der sich ganz den materiellen Vergnügungen hingibt: Essen und Trinken, Trunkenheit, Rauschgift, Unzucht, Tanz, Scherz und Possenreißerei und ergötzt seine Sinne beim Zeitvertreib. Soll nach alledem nun der Geist allein in der Ewigkeit die Zeche dafür bezahlen und der Leib straffrei ausgehen? Aber nein, denn dies verträgt sich nicht mit der göttlichen Gerechtigkeit, die den Menschen geistig und körperlich genau differenziert. Der Leib muss daher vom Tode auferstehen, um an der Bestrafung teilzuhaben. Die Rechenschaft wird für beide zusammen abgelegt, weil beide gemeinsam etwas taten – wie der Geist begann, vollendete oder begehrte es der Leib und der Geist unterwarf sich ihm und beteiligte sich mit an seinen Leidenschaften …
Lasst uns ein Beispiel geben für die Gemeinschaft von Leib und Geist, nämlich die Augen:
Der Geist ist voll Liebe oder voll Sorge; und diese Liebe und Sorge werden sichtbar im Blick der Augen. Der Geist ist auch zornig oder strebt nach Vergeltung – und du siehst in den Augen den Blick voll Zorns oder voll der Rache. Der Geist wendet sich zu Gott durch das Gebet – und du siehst den flehenden Blick der Augen, die der Geist mit Tränen füllt…
Zu einem sanftmütigen bescheidenen Geist gesellt sich der Körper mit sanftmütigen bescheidenen Blicken. Zu einem hochmütigen, dünkelhaften und eingebildeten Geist gesellt sich desgleichen der Körper mit Blicken des Hochmuts, des Dünkels und der Einbildung.
Ebenso sind beteiligt die Augen, alle Gesichtszüge sowie die Herzschläge, Gehirnzellen und andere Organe des Körpers…
Dies sind Beispiele für die Gemeinschaft von Körper und Geist.
Das Gleiche gilt für Eifer und Fleiß, wie der Schriftsteller sagt:
Wenn Nun die Seelen hochmütig waren wurden schwach in ihrem Willen die Leiber.
Also geht derselbe Lohn in der Ewigkeit, den sich der große Geist verdiente, der das Gute wollte und sich entschloss, dies auch zu tun, genauso auch an den Körper, der die Mühen ertrug, wenn das Gute in die Tat umgesetzt wurde, der sich plagte, mühte und solange ausharrte, bis der Geist seinen Wunsch realisiert hatte. Daher, so wie er mit ihm zusammen die Ausführung übernommen hat, so sollte er auch mit ihm die Strafe und die Verantwortung übernehmen. Die Bestrafung erstreckt sich auf den ganzen Menschen…
Auf der Erde belohnen wir auch den Körper und betrachten dies gleichzeitig auch als Belohnung des Geistes.
Preisen wir denn nicht die Leiber der Märtyrer und der Frommen und machen wir nicht ihre Gräber zu Wallfahrtsorten, auf die wir Blumen legen und an denen wir ihretwegen beten…? Wir betrachten dies nicht bloß als Ehrung für den Leib, die Knochen, die sterblichen Reste oder den Staub, nein, sondern für den Menschen in seiner Gesamtheit. Denn indem wir dies machen, machen wir auch seinen Geist lebendig.
Der Mensch für uns, das ist der gesamte ungeteilte Mensch.
Wenn er es denn verdiente, geehrt zu werden, so müssten wir nicht nur seinen Leib, sondern auch seinen Geist ehren. Und wenn er dieser Ehre nicht wert wäre, so erstreckte sich die Geringschätzung nicht nur auf seinen Leib, sondern auch auf seinen Geist. Bei Übeltätern, die zum Tode oder zu Gefängnis verurteilt werden, erreicht die Strafe ihren Leib, gleichzeitig jedoch wird ihr Geist schlecht beleumundet. Und ihr Geist wird von dem beeinflusst, was mit ihrem Leib geschieht…
Wenn sich unsere irdische Gerechtigkeit so verhält, wie steht es dann mit der Gerechtigkeit Gottes …
Die Gerechtigkeit Gottes umschließt den gesamten Menschen, Leib und Geist. Darum muss einfach der Leib auferstehen, der, welcher auf Erden lebte und zusammen mit dem Geist seine Taten vollbrachte.
Er wird beeinflusst vom Zustand des Geistes, seinem Denken, seinen Gefühlen und Absichten. Der Geist gibt zum Beispiel Ehrfurcht oder Demut vor – und schon verbeugt sich automatisch der Leib. Oder der Geist ist traurig und das Auge weint, und die Trauer spiegelt sich in den Zügen des Gesichtes und in den Bewegungen des Leibes wider. Oder aber der Geist freut sich, und ein Lächeln erscheint im Gesicht. Der Geist fürchtet sich, und der Leib beginnt zu zittern, und die Furcht zeigt sich in den Gesichtszügen. Der Geist schämt sich und bringt den Menschen zum Schwitzen oder die Scham ist im Gesicht erkennbar.
In allem besteht Gemeinsamkeit, es wäre also nicht gerecht, dass der Geist oder der Leib allein die Schuld trägt.
Vielmehr tragen sie sie beide gemeinsam und gerade dies geschieht auch bei der Auferstehung.
Manche, die die Auferstehung verleugnen, scheinen damit auch den Leib zu verachten.
Weil nämlich der Leib materiell ist, während der Geist ein Wesen hat, das ihn unermesslich über die Natur des Leibes erhebt. Doch wir sagen, obwohl der Mensch aus zwei Naturen besteht, der geistigen und der fleischlichen, so haben sie sich doch in einer Natur vereinigt, das ist die menschliche Natur.
Der Leib ist nicht böse, denn sonst hätte ihn Gott nicht erschaffen …
Das Böse besteht vielmehr darin, dass der Leib der Fleischlichkeit und ihren Lüsten ausgeliefert ist. In diesem Ausgeliefertsein gesellt sich zu ihm der Geist. Vergiss nicht, dass der Leib seine Vorzüge besitzt: er ist es ja, der sich beim Gebet niederwirft, den Körper beim Gebet beugt und Hände und Blick zu Gott emporhebt. Er ist es, der fastet, er ist es, der sich bei der Arbeit des Guten plagt, er ist es, der sich um seines Vaterlandes willen selbst opfert und er ist es schließlich, welcher die Hand ausstreckt, um den Armen und Bedürftigen zu geben. Warum strafen wir ihn also mit Verachtung? Sind es nicht die Finger des Künstlers, die sich auf einem Musikinstrument hin und her bewegen – und mit ihnen die Herzen, die sie möglicherweise zum Guten bewegen? Sind es denn nicht die Finger des Künstlers, die zeichnen, bildhauerisch gestalten oder fotografieren – und – wenn sie wollen – damit Kunst darbringen, durch die die Herzen zum Guten gewendet werden können?
Der Leib ist also nicht böse an sich, er kann vielmehr im Guten und im Bösen tätig werden, auch der Geist kann beides machen – und beide wirken gemeinsam.
Es ist ebenso gerecht, dass die Leiber auferstehen, um Ersatz für das zu erhalten, was ihnen fehlt.
Für die Blinden, Behinderten, Gebrechlichen, Missgestalteten und all jene, deren Leiber nicht das Glück haben, schön, gesund oder stark zu sein, ist es gerecht, dass ihre Leiber am Jüngsten Tage auferstehen, dass sie auferstehen ohne Makel, sodass sie Gott für allen Mangel entschädigt, den sie auf Erden leiden mussten.
Auch jene, welche auf Erden in Armut, auf der Flucht, in Hunger und Krankheit lebten, was ihre Leiber in Mitleidenschaft gezogen hat: Sie haben das Bedürfnis, aufzuerstehen mit gesunden Leibern – als Lohn dafür, was sie sich auf Erden verdienten – und dies entspricht der Gerechtigkeit Gottes …
Wir freuen uns über die Auferstehung und halten sie für erforderlich, notwendig und möglich.
Und wir beglückwünschen alle zum Fest der Auferstehung, an dem Christus auferstanden ist als Beginn für die Auferstehung der gesamten Menschheit.